Leipzig (ots) –
Deutschland ist eines der trinkfreudigsten Länder weltweit – und in Deutschland führt der Osten die meisten Statistiken an: die der Rauschtrinker, der Alkoholabhängigen und der Alkoholtoten. Woran liegt das? Und ab wann wird das eigene Trinkverhalten eigentlich problematisch? Für die MDR-Reihe „exactly“ hat Daniel Tautz nachgehakt, zwischen Festivalstimmung und Suchttherapie. Die Reportage „Im Rausch: Der Osten und sein Alkoholproblem“ ist zu sehen ab 19. September, 8.00 Uhr in der ARD-Mediathek sowie ab 17 Uhr auf dem YouTube-Kanal „MDR Investigativ“.
Festival: Das heißt Feiern, Tanzen, Mitgrölen und in aller Regel auch Alkohol trinken. „Wir geben den Leuten die Möglichkeit, aus dem Alltag rauszukommen“, sagt Fabian Rudloff, einer der Organisatoren vom Rockharz Open Air in Ballenstedt. „Und da gehört auch der Alkohol dazu.“ Mehr als 20.000 Gäste kommen zu dem Metal-Festival, bei dem sich Rudloff um die Getränke kümmert.
Ob auf so einem Festival oder einem Volksfest, beim Stammtisch oder auf der Geburtstagsfeier – das Trinken steht erst einmal vor allem für Spaß und Feierlaune, bringt Fremde und Freunde zusammen. Über die belastende, schädliche Seite des Alkohols wird dagegen kaum gesprochen. 1,6 Millionen Menschen gelten in Deutschland als alkoholabhängig, jeder achte Erwachsene trinkt in riskanter Form.
Wie viel wir trinken und wie suchtanfällig wir sind, hängt laut Gitta Friedrichs von vielen Faktoren ab. Sie ist Chefärztin der „Alten Ölmühle” in Magdeburg, einer Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen. Die Medizinerin sagt, dass schon zu DDR-Zeiten viele Menschen viel getrunken hätten. „Dann kam der Bruch durch die Wende, eine hohe Arbeitslosigkeit – das können alles Gründe für einen riskanten Alkoholkonsum sein.”
Pit ist Rehabilitand in der „Alten Ölmühle”. Mit 16 trank er das erste Bier und rauchte den ersten Joint. Mit den Jahren rutschte er schleichend in die Abhängigkeit. „Irgendwann gab’s eine Flasche Schnaps und sechs bis acht Bier am Tag. Du stehst früh auf und das erste, woran du denkst, ist Alkohol”, sagt er. In der Rehaklinik will der 40-Jährige jetzt endlich die Abstinenz schaffen. „Sucht ist Sucht. Das Konsummittel bestimmt letztendlich dein Leben.” Und da will er raus.
Dass Alkoholsucht in allen gesellschaftlichen Schichten und in allen Altersklassen ein Problem werden kann, sieht man in der Magdeburger Rehaklinik. Und doch gibt es das Klischeebild eines Alkoholikers. Eine Frau, die damit bricht, ist Nathalie Stüben. „Wahrscheinlich entspreche ich nicht dem Bild, das du im Kopf hast, wenn du an Alkoholabhängigkeit denkst”, sagt die Mittdreißigerin in einem ihrer YouTube-Videos. Sie hat immer gern gefeiert, viel getrunken, meist ohne ein Ende zu finden und häufig mit Kontrollverlust. Als sie mal wieder neben einem fremden Typen aufwacht und ihr zerfetztes Kleid am Boden sieht, weiß sie: Ich höre auf mit dem Trinken. Unter dem Label „Ohne Alkohol mit Nathalie“ erzählt sie heute anderen Menschen von ihrer Suchtgeschichte. „Ein Leben ohne Alkohol ist keine Qual, es bedeutet Freiheit”, sagt sie.
Auch Gideon Bellin und Steffen Mengel wollen zeigen, dass es nicht nur mit Alkohol geht. Sie organisieren das „Natural High Festival“ in Rüdersdorf bei Berlin. „Let’s get high together” fordern sie und sprechen dabei nicht von Alkohol und Drogen, sondern von stimulierenden Klängen oder anregenden Gerüchen. „Wir wollen mit unserem Festival auch eine neue Bewegung nach Deutschland bringen: den nüchternen Lifestyle.”
Für die MDR-Reihe „exactly” sucht Daniel Tautz zwischen alkoholfreiem Festival, Stammkneipe, Rehaklinik und Trinkspielen nach der Bedeutung des Alkohols, danach, wie er uns hochbringt und wie er uns fallen lässt – und wie schmal der Grat dazwischen sein kann. Was der Reporter dazu herausgefunden hat, ist auch im MDR Fernsehen am Mittwoch, 21.09.2022, um 20.45 Uhr in der Reihe „Exakt – Die Story“ zu sehen.
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